Windkraftanlagen in Grimms Märchenwald Hessen
- klausz
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23 Sep 2018 10:38 #158262
von klausz
140-160km pro Akkuladung, und wie erreichen wir das?
Gemäß dem Motto: "Es ist mir egal ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache sie fängt Mäuse." DENG
Windkraftanlagen in Grimms Märchenwald Hessen
Auch wenn ich die Fortsetzung des Braunkohleabbaus durch RWE (Hambacher Forst) in Frage stelle, in einem Rechtsstaat ist es Aufgabe des Gesetzgebers entsprechende, verfassungkonforme Gesetze zu erstellen. Es ist die Aufgabe unabhängiger Gerichte diese Gesetze auszulegen und entsprechende Urteil zu verfassen. Und es ist Aufgabe der Exekutiven als auch der Gerichte sicherzustellen daß Gesetze und Urteile umgesetzt werden. Leider habe ich beginnend in Brüssel bei der EU Kommission desöfteren zur Kenntnis nehmen müssen daß es z.B. EU Gesetze gibt daß diese aber behaupten die Umsetzung wäre nationales Recht und die betroffenen müssen sich selbst um die Exekution kümmern und das - es ist ja so kostengünstig - einklagen.
Zurück zum Hambacher Forst, neben dem Rechtsweg, müssen die Bürger Einfluß auf den Gesetzgeber nehmen. Sodann sollen diese auch demonstrieren. Gesetzesverstöße sind nahezu immer nicht gerechtfertigt.
Das beste Druckmittel ist die Kaufkraft des Bürgers.
Hier ein anderer Fall. Bin mal gespannt ob es ähnlich viel Empörung gibt:
——
‚Hessen erlaubt Bau von Windkraftanlagen in Grimms Märchenwald
Hessen gibt Naturwaldflächen für den Bau von Windrädern frei. Auch vor einem uralten deutschen Natur- und Kulturschatz machen die Industrieanlagen nicht halt. Die Grüne Umweltministerin wischt alle Bedenken vom Tisch.
Veröffentlicht am 24.07.2018
Es ist ein märchenhafter Wald voller knorriger, jahrhundertealter Baumriesen, seltener Tiere und sagenhafter Burgen. Die Heimat von Grimms Märchen beherbergt mit dem Urwald Sababurg das älteste Naturschutzgebiet des Landes und entlang der Weserhänge alte Laubbäume mit wertvollen Lebensräumen für geschützte Arten und einem einzigartigen Naturwaldreservat.
Der Reinhardswald im Norden Hessens ist etwas ganz Besonderes, nicht nur weil er der größte im Land ist. Zu seinen Eigenschaften zählt auch: Er gehört der Allgemeinheit. Doch genau das könnte ihm zum Verhängnis werden, denn die Schwarz-Grüne Landesregierung plant mittendrin Industriegebiete.
Hintergrund ist ihr ambitioniertes Ziel, zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie zu reservieren. Ausreichend Wind gibt es in Hessen aber – wenn überhaupt – nur in Höhenlagen. Weil die meist bewaldet sind, entstehen fast alle neuen Windkraftanlagen in Wäldern.
Eines der letzten unerschlossenen Waldgebiete
Ein wichtiges Versprechen hat der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir 2015 formuliert: „Bedeutende Erholungsgebiete und Wälder in Hessen kommen für die Windenergienutzung nicht infrage.“
Was ist diese Beteuerung wert? Das Regierungspräsidium Kassel hat in den Höhenlagen des Reinhardswaldes sieben Windvorranggebiete ausgewiesen, auf denen jeweils bis zu 20 Windkraftanlagen (WKA) gebaut werden können. Für Naturschützer eine Katastrophe: „Der Reinhardswald ist eines der letzten, weitgehend unerschlossenen Waldgebiete“, sagt Gabriele Niehaus-Uebel von der Bürgerinitiative Oberweser-Bramwald. „Wir haben davon nicht mehr viele. Dieser Lebensraum ist per se schützenswert.“
Das sehen die fünf großen Umweltverbände offenbar ähnlich: Mit der Initiative „Wildnis in Deutschland“ haben sie Vorschläge für Waldschutzgebiete in Hessen vorgelegt, unter denen der Reinhardswald an erster Stelle steht. Dieser sei dafür prädestiniert, sagt Mark Harthun vom Naturschutzbund Deutschland. Der bereits existierende Naturwald im Reinhardswald würde nach den Plänen mehr als doppelt so groß.
Das Kerngebiet sei ideal, weil Naturwälder möglichst unzerschnitten sein sollten, „um die Grenzlinie mit potenziellen Störwirkungen möglichst gering zu halten“, so Harthun. Die alten Buchenwälder im Reinhardswald sind Heimat vieler Arten, vor allem aber auch streng geschützter Fledermäuse, die nur in Wäldern mit sehr alten Bäumen und hohem Totholzanteil vorkommen.
Das Regierungspräsidium Kassel erklärt auf Anfrage: Geschützte „Buchenwälder im Hangbereich zur Weser sind von einer Windenergienutzung ebenso ausgeschlossen wie die Flächen des Eichen-Urwaldes.“ Es würden vor allem Standorte „in unter Naturschutz-Aspekten weniger sensiblen Fichtenschonungen in Betracht gezogen“.
Grüne Ministerin im Streit mit Waldschützern
Doch die Windvorranggebiete grenzen unmittelbar an die Fauna-Flora-Habitate (FFH), in denen Fledermäuse ein seltenes Refugium gefunden haben. Anders als Greifvögel werden die kleinen Flieger von den Rotoren nicht erschlagen; ihre Lungen zerplatzen aufgrund des Unterdrucks hinter den Rotoren. Ein Windvorranggebiet haben die Planer genau zwischen den geplanten Naturwald und den Friedwald gezeichnet. Und zwei Gebiete umschließen sogar längst ausgewiesene Naturwaldflächen, in denen der Wald sich selbst überlassen werden soll.
„Eine völlig widersinnige Planung“, findet Niehaus-Uebel von der Bürgerinitiative Oberweser-Bramwald. „Es ist das verkrampfte Erzwingenwollen der Windkraft in Hessen, komme, was wolle. Da spielt Naturschutz keine Rolle mehr. Und das von einer grünen Umweltministerin. Das ist schon erstaunlich.“
Die Umweltministerin verteidigt die Pläne: „Windenergie ist sehr wichtig für den Klimaschutz, weil wir die Energiewende schaffen müssen“, sagt Priska Hinz. „Wir werden die Wälder nicht erhalten, wenn wir nicht auf erneuerbare Energie und damit auf Klimaschutz setzen, wir werden nämlich sonst die Wälder in 30 Jahren so nicht mehr haben, wie wir sie kennen, und in 50, 100 Jahren erst recht nicht mehr.“
...
„Wir haben im Reinhardswald ja nicht die ganze Fläche verplant“, sagt Hinz, „sondern einen kleinen Teil.“ Das habe „nichts mit großflächiger Abholzung zu tun“. Die Praxis lässt sich einige Kilometer weiter südlich, im Kaufunger Wald, besichtigen: Dort stehen an der Landesgrenze 18 Windkraftanlagen mitten in einem FFH- und Kranichzuggebiet und teilweise in einem Trinkwasserschutzgebiet. Die Rotoren ragen mehr als 200 Meter in den Himmel, und für jedes Fundament kamen etwa 1000 Kubikmeter Beton in den Untergrund.
Jedes Windrad kostet einen Hektar Wald
Windkraftanlagen dieser Größenordnung lassen sich nur mit gigantischen Kränen installieren, deren Platzbedarf die Rodung eines Hektars Wald erfordert. Und zusätzlich breite Schneisen für die Schwertransporte und spätere Serviceverkehre. Zwischen den Anlagen sind die verbliebenen Bäume großflächig umgeknickt. „Windwurf“ ist die Folge von Stürmen. In aufgelichteten Wäldern hat es der Wind deutlich leichter als in geschlossenen, intakten Beständen.
Der Kaufunger Wald gilt laut Bundesnaturschutzamt als „Hotspot der Biodiversität“. Über Al-Wazirs Versprechen kann Jochen Tamm nicht mal müde lächeln. „Einen krasseren Gegensatz zwischen Wort und Tat kann es gar nicht geben“, sagt der Biologe von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz. Das gelte auch für den Reinhardswald: „Der ist als Naturraum nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch seine biologische Ausstattung herausragend.“
...Die Festlegung von Windvorranggebieten sei Aufgabe der Regionalplanung und könne helfen, den Wildwuchs bei der Windenergie zu begrenzen. Begründete Einwendungen von Naturschützern sollten dabei allerdings berücksichtigt werden. Die würden jedoch immer öfter übergangen, weil sie die Ausbauziele gefährden.
Viele Einwände betreffen streng geschützte Arten in der Nähe geplanter Windkraftanlagen. Denn nach Expertenschätzungen verenden bundesweit jährlich Hunderttausende Fledermäuse und Tausende Greifvögel an den Rotoren. Ein „überhöhter Konflikt“ sei das, verbreitet der hessische Windkraftprojektierer ABO-Wind, der in Kürze eine Baugenehmigung für den Reinhardswald beantragen will. Für negativen Einfluss der Windkraftnutzung auf den Rotmilanbestand gebe es „keine belastbaren Belege“. Auch die von den Vogelschutzwarten im „Helgoländer Papier“ erarbeiteten Abstandsempfehlungen zu Horsten geschützter Greifvögel seien „unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten unbrauchbar“.
Doch die vom Bund finanzierte „Progress-Studie“ zeigt, dass Greifvögel überproportional häufig mit den Anlagen kollidieren. Der weitere Ausbau der Windenergie könne ganze Bestände gefährden, wie etwa den des Roten Milans. „Vogelschlag am Windrad ist die Haupttodesursache für den Rotmilan“, sagt Torsten Langgemach von der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg. In seiner Datenbank hat er unzählige Bilder von erschlagenen Greifvögeln, die empörte Bürger geschickt haben.
„Der Rotmilan ist einer der wenigen großen Vögel, die überhaupt nur in Mitteleuropa vorkommen. Deutschland beherbergt über die Hälfte des Weltbestandes, hat also die Weltverantwortung für diesen Vogel“, sagt Jochen Tamm. „Und genau in diesem zentralen Lebensraum werden jetzt verstärkt Windräder aufgebaut.“
Im Reinhardswald kartieren Niehaus-Uebel und ihre Mitstreiter seit Jahren fleißig und ehrenamtlich Horste und Flugbewegungen des Rotmilans und anderer Greifvögel. Die Daten schicken sie an die Obere Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium Kassel. Auf selbst erarbeiteten Karten dokumentiert sie die Horstdichte rund um die Windvorranggebiete. Wichtige Informationen für Genehmigungsverfahren, denn auch das Regierungspräsidium orientiert sich offiziell am Helgoländer Papier, das für Windkraftanlagen einen Mindestabstand von 1500 Metern zu Rotmilanhorsten fordert.
Vogelschutz-Gutachten von Windkraft-Industrie bezahlt
Für eine Baugenehmigung müssen Antragsteller Gutachten vorlegen. Eine zentrale Frage ist, ob geplante Windräder das Tötungsrisiko für geschützte Arten signifikant erhöhen. Doch die Gutachten werden von der Industrie beauftragt und bezahlt. „Da gibt es kaum einen, der nicht das schreibt, was dem Auftraggeber genehm wäre“, sagt Jochen Tamm. „Ich habe zahlreiche Gutachten dieser Art gesehen. Die meisten sind, um es im Klartext zu sagen, Gefälligkeitsgutachten.“
„Diese Gutachten werden einer intensiven Prüfung durch die jeweils zuständigen Fachbehörden unterzogen“, antwortet das Regierungspräsidium Kassel. Diese komme zu einer eigenständigen Stellungnahme, „die nicht mit den Ergebnissen der Gutachter übereinstimmen muss“.
Soweit die Theorie. Ganz in der Nähe des Reinhardswaldes, im Hersteller Wald, hat das Regierungspräsidium Kassel 2017 drei Windkraftanlagen genehmigt, obwohl Bürger nachwiesen, dass sich zwei Brutvorkommen des Milans innerhalb des empfohlenen Mindestabstandes befinden. Die Obere Naturschutzbehörde sah dennoch kein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“, denn der Gutachter des Investors hatte beobachtet, „dass die weit überwiegenden Nahrungsflüge vom Horst aus nicht in Richtung der fraglichen WKA verliefen“.
Deutschland ist Hauptverbreitungsgebiet des Rotmilans. Doch immer mehr dieser seltenen Greifvögel werden von Windkraftanlagen erschlagen. Die von Vogelschützern geforderten Mindestabstände zwischen Vogelhorst und Rotorturm werden von den Bundesländern bislang nicht eingehalten
Gegen die Genehmigung hat die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) geklagt. Die Verbandsklage ist das einzig scharfe Schwert gegen die Planungen, doch die Dachverbände großer Umweltverbände, wie Nabu und BUND, halten sich bei dem Thema vornehm zurück, meint Niehaus-Uebel.
Das hat auch Bernhard Klug vom SDW beobachtet. Unterstützung erhalte sein Verband nur von der Deutschen Wildtier-Stiftung. „Die Umweltverbände werden ihre Gründe haben“, sagt Klug. Dabei sei der Reinhardswald ein Musterfall für eine sinnvolle Verbandsklage: „Er verdient eine andere Klassifizierung. Zusammen mit dem Solling und dem Bramwald wäre das ein Biosphärenreservat oder Nationalpark.“
Ex-Ministerin als Aufsichtsrat einer Windkraftfirma
Unterstützung aus der Landespolitik haben die Waldschützer kaum. Im Landtag hat sich nur die FDP-Fraktion windkraftkritisch positioniert. In den Anfragen der FDP geht es zum Beispiel um rechtswidrige Waldrodungen, Ölunfälle und gut bezahlte Vorträge von Mitarbeitern der Genehmigungsbehörden bei der Windlobby – Ein Thema: „Praxistipps zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren …“.
Fraktionsmitarbeiter Mario Klotzsche kritisiert die „schlechte Genehmigungspraxis“ und führt sie auf strukturelle Gründe und Interessenkonflikte zurück. So wurde bekannt, dass die Familie des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) in einen Windpark investiert hat. „Am Ende bleiben nur Gerichte“, sagt Klotzsche, „und die greifen nur ein, wenn offensichtliche Formfehler vorliegen oder die Abwägung grob rechtsfehlerhaft vorgenommen wurde.“
...
Konflikte mit dem Naturschutz kennt die Windbranche nicht nur in Hessen. Überall in Süddeutschland entstehen immer mehr Windparks in Wäldern. Vorreiter war Rheinland-Pfalz unter Ministerin Eveline Lemke (Grüne). Seit 2017 ist sie Aufsichtsrat bei ABO-Wind.
Zu dem Thema zeigt das ZDF am 24. Juli um 21.00 Uhr einen Bericht im Magazin „Frontal 21“. Der Verfasser dieses Artikels, Güven Purtul (Twitter: @GPurtul) ist auch Co-Autor des ZDF-Beitrags.‘
www.welt.de/wirtschaft/plus179837848/Hes...kraftanlagen-in-Grimms-Maerchenwald.html
——
Man möge mich korrigieren wenn die im Artikel genannten Punkte falsch sind. U.a. ehemalige Grüne Politiker scheinen auch nicht mehr so an den ursprünglichen Zielen interessiert.
Zurück zum Hambacher Forst, neben dem Rechtsweg, müssen die Bürger Einfluß auf den Gesetzgeber nehmen. Sodann sollen diese auch demonstrieren. Gesetzesverstöße sind nahezu immer nicht gerechtfertigt.
Das beste Druckmittel ist die Kaufkraft des Bürgers.
Hier ein anderer Fall. Bin mal gespannt ob es ähnlich viel Empörung gibt:
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‚Hessen erlaubt Bau von Windkraftanlagen in Grimms Märchenwald
Hessen gibt Naturwaldflächen für den Bau von Windrädern frei. Auch vor einem uralten deutschen Natur- und Kulturschatz machen die Industrieanlagen nicht halt. Die Grüne Umweltministerin wischt alle Bedenken vom Tisch.
Veröffentlicht am 24.07.2018
Es ist ein märchenhafter Wald voller knorriger, jahrhundertealter Baumriesen, seltener Tiere und sagenhafter Burgen. Die Heimat von Grimms Märchen beherbergt mit dem Urwald Sababurg das älteste Naturschutzgebiet des Landes und entlang der Weserhänge alte Laubbäume mit wertvollen Lebensräumen für geschützte Arten und einem einzigartigen Naturwaldreservat.
Der Reinhardswald im Norden Hessens ist etwas ganz Besonderes, nicht nur weil er der größte im Land ist. Zu seinen Eigenschaften zählt auch: Er gehört der Allgemeinheit. Doch genau das könnte ihm zum Verhängnis werden, denn die Schwarz-Grüne Landesregierung plant mittendrin Industriegebiete.
Hintergrund ist ihr ambitioniertes Ziel, zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie zu reservieren. Ausreichend Wind gibt es in Hessen aber – wenn überhaupt – nur in Höhenlagen. Weil die meist bewaldet sind, entstehen fast alle neuen Windkraftanlagen in Wäldern.
Eines der letzten unerschlossenen Waldgebiete
Ein wichtiges Versprechen hat der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir 2015 formuliert: „Bedeutende Erholungsgebiete und Wälder in Hessen kommen für die Windenergienutzung nicht infrage.“
Was ist diese Beteuerung wert? Das Regierungspräsidium Kassel hat in den Höhenlagen des Reinhardswaldes sieben Windvorranggebiete ausgewiesen, auf denen jeweils bis zu 20 Windkraftanlagen (WKA) gebaut werden können. Für Naturschützer eine Katastrophe: „Der Reinhardswald ist eines der letzten, weitgehend unerschlossenen Waldgebiete“, sagt Gabriele Niehaus-Uebel von der Bürgerinitiative Oberweser-Bramwald. „Wir haben davon nicht mehr viele. Dieser Lebensraum ist per se schützenswert.“
Das sehen die fünf großen Umweltverbände offenbar ähnlich: Mit der Initiative „Wildnis in Deutschland“ haben sie Vorschläge für Waldschutzgebiete in Hessen vorgelegt, unter denen der Reinhardswald an erster Stelle steht. Dieser sei dafür prädestiniert, sagt Mark Harthun vom Naturschutzbund Deutschland. Der bereits existierende Naturwald im Reinhardswald würde nach den Plänen mehr als doppelt so groß.
Das Kerngebiet sei ideal, weil Naturwälder möglichst unzerschnitten sein sollten, „um die Grenzlinie mit potenziellen Störwirkungen möglichst gering zu halten“, so Harthun. Die alten Buchenwälder im Reinhardswald sind Heimat vieler Arten, vor allem aber auch streng geschützter Fledermäuse, die nur in Wäldern mit sehr alten Bäumen und hohem Totholzanteil vorkommen.
Das Regierungspräsidium Kassel erklärt auf Anfrage: Geschützte „Buchenwälder im Hangbereich zur Weser sind von einer Windenergienutzung ebenso ausgeschlossen wie die Flächen des Eichen-Urwaldes.“ Es würden vor allem Standorte „in unter Naturschutz-Aspekten weniger sensiblen Fichtenschonungen in Betracht gezogen“.
Grüne Ministerin im Streit mit Waldschützern
Doch die Windvorranggebiete grenzen unmittelbar an die Fauna-Flora-Habitate (FFH), in denen Fledermäuse ein seltenes Refugium gefunden haben. Anders als Greifvögel werden die kleinen Flieger von den Rotoren nicht erschlagen; ihre Lungen zerplatzen aufgrund des Unterdrucks hinter den Rotoren. Ein Windvorranggebiet haben die Planer genau zwischen den geplanten Naturwald und den Friedwald gezeichnet. Und zwei Gebiete umschließen sogar längst ausgewiesene Naturwaldflächen, in denen der Wald sich selbst überlassen werden soll.
„Eine völlig widersinnige Planung“, findet Niehaus-Uebel von der Bürgerinitiative Oberweser-Bramwald. „Es ist das verkrampfte Erzwingenwollen der Windkraft in Hessen, komme, was wolle. Da spielt Naturschutz keine Rolle mehr. Und das von einer grünen Umweltministerin. Das ist schon erstaunlich.“
Die Umweltministerin verteidigt die Pläne: „Windenergie ist sehr wichtig für den Klimaschutz, weil wir die Energiewende schaffen müssen“, sagt Priska Hinz. „Wir werden die Wälder nicht erhalten, wenn wir nicht auf erneuerbare Energie und damit auf Klimaschutz setzen, wir werden nämlich sonst die Wälder in 30 Jahren so nicht mehr haben, wie wir sie kennen, und in 50, 100 Jahren erst recht nicht mehr.“
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„Wir haben im Reinhardswald ja nicht die ganze Fläche verplant“, sagt Hinz, „sondern einen kleinen Teil.“ Das habe „nichts mit großflächiger Abholzung zu tun“. Die Praxis lässt sich einige Kilometer weiter südlich, im Kaufunger Wald, besichtigen: Dort stehen an der Landesgrenze 18 Windkraftanlagen mitten in einem FFH- und Kranichzuggebiet und teilweise in einem Trinkwasserschutzgebiet. Die Rotoren ragen mehr als 200 Meter in den Himmel, und für jedes Fundament kamen etwa 1000 Kubikmeter Beton in den Untergrund.
Jedes Windrad kostet einen Hektar Wald
Windkraftanlagen dieser Größenordnung lassen sich nur mit gigantischen Kränen installieren, deren Platzbedarf die Rodung eines Hektars Wald erfordert. Und zusätzlich breite Schneisen für die Schwertransporte und spätere Serviceverkehre. Zwischen den Anlagen sind die verbliebenen Bäume großflächig umgeknickt. „Windwurf“ ist die Folge von Stürmen. In aufgelichteten Wäldern hat es der Wind deutlich leichter als in geschlossenen, intakten Beständen.
Der Kaufunger Wald gilt laut Bundesnaturschutzamt als „Hotspot der Biodiversität“. Über Al-Wazirs Versprechen kann Jochen Tamm nicht mal müde lächeln. „Einen krasseren Gegensatz zwischen Wort und Tat kann es gar nicht geben“, sagt der Biologe von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz. Das gelte auch für den Reinhardswald: „Der ist als Naturraum nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch seine biologische Ausstattung herausragend.“
...Die Festlegung von Windvorranggebieten sei Aufgabe der Regionalplanung und könne helfen, den Wildwuchs bei der Windenergie zu begrenzen. Begründete Einwendungen von Naturschützern sollten dabei allerdings berücksichtigt werden. Die würden jedoch immer öfter übergangen, weil sie die Ausbauziele gefährden.
Viele Einwände betreffen streng geschützte Arten in der Nähe geplanter Windkraftanlagen. Denn nach Expertenschätzungen verenden bundesweit jährlich Hunderttausende Fledermäuse und Tausende Greifvögel an den Rotoren. Ein „überhöhter Konflikt“ sei das, verbreitet der hessische Windkraftprojektierer ABO-Wind, der in Kürze eine Baugenehmigung für den Reinhardswald beantragen will. Für negativen Einfluss der Windkraftnutzung auf den Rotmilanbestand gebe es „keine belastbaren Belege“. Auch die von den Vogelschutzwarten im „Helgoländer Papier“ erarbeiteten Abstandsempfehlungen zu Horsten geschützter Greifvögel seien „unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten unbrauchbar“.
Doch die vom Bund finanzierte „Progress-Studie“ zeigt, dass Greifvögel überproportional häufig mit den Anlagen kollidieren. Der weitere Ausbau der Windenergie könne ganze Bestände gefährden, wie etwa den des Roten Milans. „Vogelschlag am Windrad ist die Haupttodesursache für den Rotmilan“, sagt Torsten Langgemach von der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg. In seiner Datenbank hat er unzählige Bilder von erschlagenen Greifvögeln, die empörte Bürger geschickt haben.
„Der Rotmilan ist einer der wenigen großen Vögel, die überhaupt nur in Mitteleuropa vorkommen. Deutschland beherbergt über die Hälfte des Weltbestandes, hat also die Weltverantwortung für diesen Vogel“, sagt Jochen Tamm. „Und genau in diesem zentralen Lebensraum werden jetzt verstärkt Windräder aufgebaut.“
Im Reinhardswald kartieren Niehaus-Uebel und ihre Mitstreiter seit Jahren fleißig und ehrenamtlich Horste und Flugbewegungen des Rotmilans und anderer Greifvögel. Die Daten schicken sie an die Obere Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium Kassel. Auf selbst erarbeiteten Karten dokumentiert sie die Horstdichte rund um die Windvorranggebiete. Wichtige Informationen für Genehmigungsverfahren, denn auch das Regierungspräsidium orientiert sich offiziell am Helgoländer Papier, das für Windkraftanlagen einen Mindestabstand von 1500 Metern zu Rotmilanhorsten fordert.
Vogelschutz-Gutachten von Windkraft-Industrie bezahlt
Für eine Baugenehmigung müssen Antragsteller Gutachten vorlegen. Eine zentrale Frage ist, ob geplante Windräder das Tötungsrisiko für geschützte Arten signifikant erhöhen. Doch die Gutachten werden von der Industrie beauftragt und bezahlt. „Da gibt es kaum einen, der nicht das schreibt, was dem Auftraggeber genehm wäre“, sagt Jochen Tamm. „Ich habe zahlreiche Gutachten dieser Art gesehen. Die meisten sind, um es im Klartext zu sagen, Gefälligkeitsgutachten.“
„Diese Gutachten werden einer intensiven Prüfung durch die jeweils zuständigen Fachbehörden unterzogen“, antwortet das Regierungspräsidium Kassel. Diese komme zu einer eigenständigen Stellungnahme, „die nicht mit den Ergebnissen der Gutachter übereinstimmen muss“.
Soweit die Theorie. Ganz in der Nähe des Reinhardswaldes, im Hersteller Wald, hat das Regierungspräsidium Kassel 2017 drei Windkraftanlagen genehmigt, obwohl Bürger nachwiesen, dass sich zwei Brutvorkommen des Milans innerhalb des empfohlenen Mindestabstandes befinden. Die Obere Naturschutzbehörde sah dennoch kein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“, denn der Gutachter des Investors hatte beobachtet, „dass die weit überwiegenden Nahrungsflüge vom Horst aus nicht in Richtung der fraglichen WKA verliefen“.
Deutschland ist Hauptverbreitungsgebiet des Rotmilans. Doch immer mehr dieser seltenen Greifvögel werden von Windkraftanlagen erschlagen. Die von Vogelschützern geforderten Mindestabstände zwischen Vogelhorst und Rotorturm werden von den Bundesländern bislang nicht eingehalten
Gegen die Genehmigung hat die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) geklagt. Die Verbandsklage ist das einzig scharfe Schwert gegen die Planungen, doch die Dachverbände großer Umweltverbände, wie Nabu und BUND, halten sich bei dem Thema vornehm zurück, meint Niehaus-Uebel.
Das hat auch Bernhard Klug vom SDW beobachtet. Unterstützung erhalte sein Verband nur von der Deutschen Wildtier-Stiftung. „Die Umweltverbände werden ihre Gründe haben“, sagt Klug. Dabei sei der Reinhardswald ein Musterfall für eine sinnvolle Verbandsklage: „Er verdient eine andere Klassifizierung. Zusammen mit dem Solling und dem Bramwald wäre das ein Biosphärenreservat oder Nationalpark.“
Ex-Ministerin als Aufsichtsrat einer Windkraftfirma
Unterstützung aus der Landespolitik haben die Waldschützer kaum. Im Landtag hat sich nur die FDP-Fraktion windkraftkritisch positioniert. In den Anfragen der FDP geht es zum Beispiel um rechtswidrige Waldrodungen, Ölunfälle und gut bezahlte Vorträge von Mitarbeitern der Genehmigungsbehörden bei der Windlobby – Ein Thema: „Praxistipps zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren …“.
Fraktionsmitarbeiter Mario Klotzsche kritisiert die „schlechte Genehmigungspraxis“ und führt sie auf strukturelle Gründe und Interessenkonflikte zurück. So wurde bekannt, dass die Familie des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) in einen Windpark investiert hat. „Am Ende bleiben nur Gerichte“, sagt Klotzsche, „und die greifen nur ein, wenn offensichtliche Formfehler vorliegen oder die Abwägung grob rechtsfehlerhaft vorgenommen wurde.“
...
Konflikte mit dem Naturschutz kennt die Windbranche nicht nur in Hessen. Überall in Süddeutschland entstehen immer mehr Windparks in Wäldern. Vorreiter war Rheinland-Pfalz unter Ministerin Eveline Lemke (Grüne). Seit 2017 ist sie Aufsichtsrat bei ABO-Wind.
Zu dem Thema zeigt das ZDF am 24. Juli um 21.00 Uhr einen Bericht im Magazin „Frontal 21“. Der Verfasser dieses Artikels, Güven Purtul (Twitter: @GPurtul) ist auch Co-Autor des ZDF-Beitrags.‘
www.welt.de/wirtschaft/plus179837848/Hes...kraftanlagen-in-Grimms-Maerchenwald.html
——
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140-160km pro Akkuladung, und wie erreichen wir das?
Gemäß dem Motto: "Es ist mir egal ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache sie fängt Mäuse." DENG
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- twizybär
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23 Sep 2018 10:48 #158264
von twizybär
Windkraftanlagen in Grimms Märchenwald Hessen
Wundert mich nicht.
In einer Doku sagte mal ein Insider, dass beispielsweise die Atomlobby aus vergangenen Zeiten gegenüber der heutigen
Öko/Windkraft-Lobby ein Kindergartenhaufen war.
Die Bandagen, mit denen heute da so manch Fragwürdiges durchgeboxt wird, seien 10x härter als damals.
Ist ja auch klar, hier wird reichlich viel Geld verdient.
In einer Doku sagte mal ein Insider, dass beispielsweise die Atomlobby aus vergangenen Zeiten gegenüber der heutigen
Öko/Windkraft-Lobby ein Kindergartenhaufen war.
Die Bandagen, mit denen heute da so manch Fragwürdiges durchgeboxt wird, seien 10x härter als damals.
Ist ja auch klar, hier wird reichlich viel Geld verdient.
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23 Sep 2018 10:49 #158265
von euver
Windkraftanlagen in Grimms Märchenwald Hessen
Du liesst zu viel " Springer Presse " dem Meinungs-Monopolist .
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- klausz
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23 Sep 2018 11:01 - 23 Sep 2018 11:08 #158267
von klausz
140-160km pro Akkuladung, und wie erreichen wir das?
Gemäß dem Motto: "Es ist mir egal ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache sie fängt Mäuse." DENG
Windkraftanlagen in Grimms Märchenwald Hessen
Wegen Springer, nach 30 jahren FAZ (die lag schon in der TechGymn Bibliothek), die in den letzten Jahren immer schlechter wurde, Hofberichterstattung in der lokalen Schwäbischen Zeitung, ist die Welt die einzige mir bekannte meist noch taugliche Handlungsalternative. Schaut mal wen die in den letzten Jahren alles abgeworben haben und wo die dort wirklich qualifizierten Leute herkommen. Der Herausgeber Stefan Aust war mal beim Spiegel.
Gefunden habe ich es übrigens bei: OPPOSITIONSVERBLUTEN - In Bayern herrscht Seehofers innere Sicherheit -Stand: 20.09.2018 | Lesedauer: 9 Minuten - Von Don Alphonso. —> Ein Leserkommentar (RM lässt fast alles durch).
NZZ, Basler Zeitung und Der Standard haben ab und an auch interessantes im deutschsprachigen Raum.
Ihr könnt die genannten Punkte zu Grimms Märchenwald gerne mit Fakten widerlegen.
Letztlich sind wir uns wohl einig daß es umso besser ist, je weniger Energie pro km und Passagier/Fracht verbraucht wird. Der Käufer entscheidet mit seiner Kaufkraft.
Gefunden habe ich es übrigens bei: OPPOSITIONSVERBLUTEN - In Bayern herrscht Seehofers innere Sicherheit -Stand: 20.09.2018 | Lesedauer: 9 Minuten - Von Don Alphonso. —> Ein Leserkommentar (RM lässt fast alles durch).
NZZ, Basler Zeitung und Der Standard haben ab und an auch interessantes im deutschsprachigen Raum.
Ihr könnt die genannten Punkte zu Grimms Märchenwald gerne mit Fakten widerlegen.
Letztlich sind wir uns wohl einig daß es umso besser ist, je weniger Energie pro km und Passagier/Fracht verbraucht wird. Der Käufer entscheidet mit seiner Kaufkraft.
140-160km pro Akkuladung, und wie erreichen wir das?
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Letzte Änderung: 23 Sep 2018 11:08 von klausz. Begründung: Quelle zu Wald-Artikel
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